Der Weg
zur Autonomie

Hat Südtirol mit seiner Autonomie das Bestmögliche erreicht? Oder wäre noch mehr zu holen gewesen? 

Sicher ist: Der Weg zur Autonomie war lang, oft waren höhere Interessen im Spiel, es gab Rückschläge, auch Leid. Dass der Weg zu einem Frieden führte, ist längst nicht selbstverständlich.

Timeline

1919

Friedensvertrag von Saint Germain

Der Friedensvertrag am Ende des Ersten Weltkrieges besiegelt die Teilung Tirols und den Übergang des südlichen Teils an Italien. Südtirol hofft vergeblich auf Selbstbestimmung oder eine Autonomie.

1922

Marsch auf Rom

Die faschistische Partei unter Bennito Mussolini marschiert in Rom ein und übernimmt die Macht im Staat. Er unterdrückt die sprachlichen Minderheiten und forciert die Zuwanderung. Ziel ist es, die „neuen Provinzen“ vollständig zu italianisieren.

1939

Option

Das faschistische Italien und Nazi-Deutschland stellen die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler vor die Wahl: Auswandern ins Deutsche Reich oder in Italien bleiben, aber ohne den Schutz für Minderheiten. Über 85 % optieren für Deutschland. Ca. 70.000 wandern zwischen 1940 und 1943 aus.

1943

Die Alliierten besetzen Teile Italiens

Die Alliierten besetzen Teile Italiens. Nach dem Sturz Mussolinis unterzeichnet am 8. September 1943 eine neue Regierung in Rom die Kapitulation. Die deutsche Wehrmacht marschiert in Italien ein. Sie erklärt die Provinzen Bozen, Trient und Belluno zu ihrer Operationszone Alpenvorland.

1945

Eine neue Phase

Das Ende des Zweiten Weltkrieges ermöglicht einen demokratischen Neuanfang. Am 8. Mai 1945 geneh­migen die Alliierten die Gründung der Südtiroler Volkspartei (SVP) und erkennen sie als Vertretung des deutsch- und ladinischspra­chi­gen Südtirols an.

1946

Pariser Vertrag

Die Hoffnung auf Selbstbestimmung erfüllt sich auch 1946 nicht. Die Alliierten unterstützen den Verbleib Südtirols bei Italien. Dafür muss Italien mit dem Gruber-Degasperi-Abkommen Zugeständnisse machen: Schutz der deutschen Sprachgruppe und Wiedereinbürgerung der Optanten für Deutschland.

1948

Erstes Autonomiestatut

Die italienische verfassunggebende Nationalversammlung genehmigt das erste Autonomiestatut. Ein erstes Autonomiestatut für die Region Trentino-Südtirol tritt in Kraft. Die politischen Vertreter Südtirols sind unzufrieden, da die autonomen Zuständigkeiten bei der Region (mit italienischer Mehrheit) liegen und nicht bei der Provinz Bozen (mit deutscher Mehrheit). Außerdem kommt die ladinische Minderheit in dem Statut nicht vor.

1948 – 1957

Enttäuschende Autonomie

Da der italienischsprachige Anteil in dieser Region die Mehrheit ausmacht, werden die Anliegen der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit überstimmt. Wesentliche Elemente des Gruber-Degasperi-Abkommens waren in den Augen der Südtiroler Bevölkerung nicht umgesetzt. Ihre Unzufriedenheit wächst, auch wegen der Binnenzuwanderung von italienischen Arbeitskräften und Familien.

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Silvius Magnago wird Obmann der SVP

1957 wird Silvius Magnago Obmann der SVP. Gestützt vom härteren Flügel der Partei ruft er zur Demo nach Schloss Sigmundskron, um gegen die Bevormundung Südtirols durch Italien zu demonstrieren. 35.000 kommen und fordern eine eigene Autonomie für Südtirol. 
1957

Kundgebung auf Schloss Sigmundskron

In einer Massenkundgebung auf Schloss Sigmundskron protestierten 35.000 Südtiroler gegen die Nichterfüllung des Pariser Vertrages und fordern mit dem „Los von Trient!” eine eigene Autonomie für Südtirol, unabhängig vom Trentino.

1960

Südtirolfrage vor der UNO

Dem neuen Außenminister Österreichs, Bruno Kreisky, gelingt es, das Südtirol Problem vor die UNO zu bringen. Sie fordert Italien und Österreich auf, das Problem gemeinsam zu lösen. Erste Verhandlungen machen aber wenig Hoffnung auf Erfolg.
 

1961

Einsetzung der Neunzehnerkommission

Die italienische Regie­rung setzt die sogenannte 19er-Kommission ein (11 Italiener, 7 Deutsche, 1 Ladiner). Diese legt nach drei Jahren einen ersten Entwurf für ein neues Autonomiestatut vor. Die Autonomie soll zum großen Teil auf die beiden Provinzen Bozen und Trient übergehen.

1961

Feuernacht

Erster Höhepunkt einer Serie von Anschlägen, die 1956 begonnen hat. Urheber ist die separatistische Gruppierung des BAS („Befreiungsausschuss  Südtirol“). Die „Feuernacht“ richtet die Aufmerksamkeit der italienischen und europäischen Öffentlichkeit auf Südtirol.

1969

Ja zum „Paket“

Nach mühsamen Verhandlungen einigen sich Italien, Österreich und eine kleine Gruppe um Silvius Magnago auf ein „Paket“ von Maßnahmen, die nach einem Operationskalender umgesetzt werden sollen. Die SVP nimmt dieses Paket nur mit knapper Mehrheit an.

1972

Zweites Autonomiestatut

Das neue Autonomiestatut tritt am 20. Jänner 1972 in Kraft. Es sichert die Gleichberechtigung sowie den Schutz aller drei Sprachgruppen im Land. Viele Details sind in den folgenden Jahren durch die sogenannte 6er-Kommission erst noch zu klären. Befürworter und Gegner arbeiten gemeinsam daran. Maßgeblich dabei: Alcide Berloffa, Roland Riz und Alfons Benedikter.

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Alcide Berloffa wird 1972 zum Vorsitzenden der 6er und der 12er Kommission

Alcide Berloffa übt noch lange eine wichtige Rolle für die Umsetzung der Autonomie aus. Von 1972 bis 1994 ist er Vorsitzender der 6er und der 12er Kommission. Von 1977 bis 1994 ist er Mitglied des Staatsrats. Er wirkt am Aufbau der Freien Universität Bozen mit, 2002 wird er deren Vizepräsident. Am 25. Februar 2011 stirbt Alcide Berloffa. Er war mit Vanda Segato verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte, Paolo und Giovanna.

1992

Streitbeilegungserklärung

Die italienische Regierung erlässt die letzten „Paket“-Bestimmungen. Italien und Österreich berichten der UNO, dass damit der lange Streit um Südtirol beigelegt ist. Die Verhandlungen zwischen Südtirol und Rom über eine „dynamische“ Autonomie gehen danach weiter.